Es ist nicht ganz klar, wie jede/r von uns sich dazu entschieden hat, sich beim Gran Fondo „Mallorca 312“ anzumelden. Fakt ist, dass wir am 27. April 2024 mit immerhin 10 CCC-Membern an der Startlinie in Playa de Muro standen - in Arabcia - selbstverständlich - sollte man meinen. So selbstverständlich war es diesmal aber gar nicht, befand sich das wohl bekannteste Radevent auf der von uns RadfahrerInnen so geliebten Baleareninsel dieses Jahr gar nicht im clubinternen Kalender. Herausragend, dass es bei der Auswahl des richtigen „Leibchens“ dennoch keine Zweifel gab.
Die Strecke versprach eine aufregende Fahrt über Mallorcas gesperrte Straßen und bot verschiedene Distanzoptionen von 167 km (2038 hm) bis zu den epischen 312 km (5050 hm). Bei trockenem Wetter und 15-22 Grad war das einzige, was uns an einer erfolgreichen Absolvierung hätte hindern können, ein Defekt oder die vom Veranstalter gesetzten Cut-Off-Zeiten während des Rennens. Die Straßen durften eben nicht ewig für uns RadfahrerInnen für Autos gesperrt bleiben.
Am Tag der Abholung der Startunterlagen war noch nicht abzusehen, wie viele RadsportlerInnen sich am nächsten Tag auf die Strecke begeben würden. Trotz der 8.000 gemeldeten TeilnehmerInnen schien zunächst alles gut organisiert zu sein - die roten Startnummern für den letzten Startblock in unseren Startunterlagen sorgten bei uns dennoch für Bedenken. Bedeutete dies, dass wir ganz hinten starten würden?
Am Vorabend schmiedeten wir Pläne, wie das Rennen verlaufen könnte. Acht von uns (Bartosz B., Julian B., Martin S., Lars P., Eric K., Jonathan G., Lucas G. und Jan D.) hatten sich entschieden, die vollen 312 km zu fahren. Wir wollten von Anfang an Plätze gutmachen und dann gemeinsam - je nach Tagesform - in kleineren Gruppen weiterfahren. Aber dieser Plan sollte sich schnell ändern.
Kathrin S. entschied sich für die 167 km Distanz und Andreas N. hatte nochmal ganz andere Ideen. Später mehr dazu.
Am Renntag selbst war das Chaos schon ausgebrochen, als wir um 05:40 Uhr in Playa de Muro ankamen. 7.000 Radsportler waren bereits da, und wir fanden uns im Startblock rot auf Platz 7.600 wieder. Als der Startschuss fiel, setzten wir unseren angedachten Plan in die Tat um. „Kette rechts“ und am Hauptfeld vorbei. Doch schon bald fanden wir uns regelrecht im Rennradsportler-Stau am ersten Anstieg (Coll de Femenia) wieder. Es gab kaum ein Durchkommen, wir kämpften uns bergauf, ließen die ersten Verpflegungsstationen aus, um Zeit zu sparen und mussten im dichten Gedränge leider zwei unserer Teamkollegen zurücklassen. Martin S. und Lars P. waren nach der Abfahrt Richtung Soller nicht aufzufinden. Die Cut-Off Zeiten ließen jedoch nicht viel Spielraum für Wartezeiten, hatten wir doch bereits 28 Minuten am Start verloren und weitere Minuten im regelrecht verstopften Anstieg. Wir restlichen sechs setzten unsere Fahrt fort, um die Zeitlinie bei km 95 pünktlich zu erreichen. Als wir schließlich die Straßen verließen, um auf die Route 225 und 312 abzubiegen, waren wir erleichtert, dass wir die Cut-Off-Zeit geschafft hatten. Aber das Rennen war noch lange nicht vorbei.
Wir kämpften uns weiter über die MA-10, eine traumhaft wellige und schöne Küstenstraße, bis nach Andtrax. Hier holte uns Martin S. ein und berichtete, dass er zusammen mit Lars P. aufschließen konnten. Bei km 140 und bereits 3.000 hm in den Beinen konnten wir uns wieder zusammenschließen. Wir verpflegten uns an der dortigen Verpflegungsstation und das Rennen ging weiter.
Noch 3 Stunden Zeit für 80 km und 1.000 hm bis zur nächsten Zeitlinie. Kathrin S. erreichte zu dieser Zeit bereits das Ziel und finishte erfolgreich die 167 km Distanz. Am Coll de Graus hielt uns dann ein Platten auf. In der Abfahrt erwischte Martin S. mit dem Vorderreifen eine Heftzwecke. Die Gruppe wurde geteilt, Lucas G., Julian B., Jan D. und Martin S. blieben zurück, um den Schlauch des Vorderreifens zu wechseln. Zu dieser Zeit mussten bis zur nächsten Zeitlinie noch 60 km und ungefähr 400 hm überwunden werden. Jeder, der die Zahlen deuten kann, wird bemerken: das wird in unter 2 Stunden mehr als sportlich. Doch wir gaben nicht auf, wechselten den Schlauch in Rekordzeit und fuhren weiter.
Es war nun ein Kampf gegen die Uhr, in der Hoffnung, keinen weiteren Defekt zu erleiden. Während wir durch malerische Dörfer rasten, zeigte der Wattmesser dunkelrote Zahlen an. An vierter Stelle im Windschatten (bei 300 Watt) hieß es „Kopf runter und durchbeißen“. Jetzt auf keinem Fall das Hinterrad verlieren. Wir schossen durch Inca und Alaro und schlossen bei km 200 wieder zu den anderen auf. Wir hielten zusammen und überquerten die Zeitlinie bei km 225 mit 25 Minuten Puffer. Wer nun glaubte, das Schlimmste sei geschafft, wurde eines Besseren belehrt. Ein Streckenabschnitt, welcher ein Mix aus Paris Roubaix und Strade Bianche darstellte, zehrte an den noch vorhandenen Kräften. Die Füße schmerzten und die ständigen Erschütterungen und 90 Grad-Kehren machten eine Verpflegung auf dem Rad fast unmöglich. Aber wir bissen uns durch und erreichten bei Kilometer 250 erschöpft und gezeichnet die letzte Verpflegungsstation für diesen Tag. Noch 62 km und die Strecke wurde besser. Deutlich verbesserte Straßen und lediglich der ein oder andere verstecke und doch recht steile Anstieg wartete auf uns. 1.000 hm sollten noch einzusammeln sein. Und dann, 30 km vor dem Ziel, ein überraschender Moment: Der Ort Arta öffnete sich vor uns und eine wahnsinnige Menge an Zuschauern jubelte uns zu als wir auf dem Markplatz zum Stoppen kamen und S-förmig zu Fuß über den Marktplatz geführt wurden. Es fühlte sich an wie der Einlauf als Gladiator ins frühere Kolosseum. Eine derartige Party und Zuspruch der Zuschauer haben wir bis dahin noch nicht erlebt. Dies gab noch einmal Kraft und wir sattelten wieder auf, bildeten unseren mittlerweile mehr als bekannten CCC-Zug und rasten auf leicht abfallenden Straßen die letzten 30 km bis ins Ziel.
Schließlich, nach 11 Stunden und 18 Minuten Fahrtzeit und 13 Stunden im Sattel, überquerten wir die Ziellinie - gemeinsam. Es sprühte Funken, denn die Feuerteufel Mallorcas empfingen jeden einzelnen im Ziel. Wir hatten es geschafft, Mallorca 312 zu bezwingen und dabei den Teamgeist unseres Clubs unter Beweis gestellt.
Andreas N. hatte, wie anfangs erwähnt, zwar einen anderen Weg gewählt, aber auch er bewies den unbezähmbaren Geist des Clubs, indem er die Insel auf der ursprünglichen Original-Route von Mallorca 312 umrundete und schließlich wieder auf die Rennstrecke einstieg. Diese Strecke wurde früher so gefahren, ist jedoch nicht mehr während des Rennes verfügbar. Er verlies die Rennstrecke bei Andtrax im Süden und setzte seinen Weg an der Küste weiter fort, während alle anderen bereits in Richtung Inland unterwegs waren. Er umrundete somit die Insel und erreichte das Ziel nach 312 km.
Dieses Event hat wieder einmal gezeigt, wieviel Potenzial in diesem Club steckt und wie sehr wir es immer wieder schaffen, auf unseren Rides zu einer Einheit zu werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir im niederrheinischen Hünxe zum Coffee Ride aufbrechen oder einen Tag im Sattel auf der Insel verbringen, die nicht nur uns CCC-Member am Ende doch wieder in ihren Bann zieht.
In diesem Sinne: Gràcis Mallorca!
Vielen Dank an Jan D. für das Schreiben des Artikels! 🙏
Krasse Leistung von euch allen👍
Ihr seid der Wahnsinn. Starkes Stück von jedem. Und noch viel wichtiger als alles andere ist, dass niemand bei Vollspeed gestürzt ist.
Applaus an die Maschinen unter uns 👏