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News - Blog Post

Road to Paris 2023

Es gibt im Leben diese Dinge, die man erst mit etwas Abstand wirklich realisiert. Manchmal sind es begangene Fehler oder falsche Entscheidungen, die man getroffen hat. Manchmal sind es glückliche Fügungen, die man nicht kommen sah. Und manchmal sind es Herausforderungen, die man gemeistert hat und gar nicht erklären kann, wie man dazu in der Lage war. Unser Traum von Paris ist so ein Ding der letzten Kategorie…

De la fin au début…


Die meisten großen Unternehmungen finden ihren Abschluss darin, dass irgendwo ein Korken knallt. Wieso hätte das hier und heute anders sein sollen? Klar, es spricht vielleicht die kolossale Erschöpfung und Übermüdung dagegen, etwas Alkoholisches zu trinken. Auf unserem Euphorielevel steckt man aber selbst das kurzzeitig weg. Daher begossen wir unseren Erfolg standesgemäß mit einem Schluck Champagner. Nun gut, er wurde in Pappbechern gereicht. Andere haben da feudalere Gefäße. Andere reisen aber auch anders an. Die Stadt der Sehnsüchte, was sie für viele ist, ist gut angebunden. An das Flugverkehrsnetz, an das Schienennetz, auch mit dem Auto gelangt man sehr gut hierher. Aber wer fährt schon mit dem Fahrrad nach Paris? Wir taten es! Und deshalb war auch der Champagner im Pappbecher für uns perfekt. Genau wie die vorangegangenen 26 Stunden…


Dort wo alles begann…


Es war zwar nicht direkt das Ufer des Baldeneysees in Essen, wo wir unseren Club vor gut zwei Jahren ins Leben riefen. Dennoch war es ganz in der Nähe. Und so lag es auch nahe, dass dieser „Long-Distance-Ride“ nach Paris von Essen aus starten musste. Was brauchte es, um die gut 507 Kilometer an einem Stück mit Muskelkraft zurückzulegen? Eigentlich nur eines – genau dieses Team! Daher sei nur am Rande erwähnt, dass die zehn Starter von zwei Fahrzeugen mit Material, Verpflegung und allem Möglichen für jede erdenkliche Situation begleitet wurden. Circa 11.500 Kilokalorien pro Kopf passen schließlich in keine Trikotasche. Geschweige denn 14 Liter Wasser für jeden von uns. Von Luftpumpen, Schläuchen, einem Ersatzfahrrad und Kleidung wollen wir gar nicht erst groß anfangen. Lassen wir das also besser.


Wir sind es inzwischen ja bereits gewohnt, dass es auffällt, wenn wir uns in unseren Arabica-Outfits in großer Gruppe bewegen. Das war unter den Augen zahlreicher Ausflügler hier am See wieder einmal der Fall. Was aber für jeden von uns dieses Mal völlig anders war, war der Gedanke an das, was uns nun bevorstand. Eine Fahrt, die so von uns noch niemand absolviert hatte. Dazu brachen wir um 16.34 Uhr auf. Es war freitags. Die Vorstellung, erst unter dem Eiffelturm wieder abzusteigen – völlig surreal. Schließlich fuhren wir gerade dort entlang, wo wir uns bestens auskannten. Aber so beginnt ja bekanntlich jede Reise…


Sechseinhalb Coffee-Rides…


Der Coffee-Ride ist das, womit jeder CCCler zu Beginn seiner Clubzugehörigkeit als erstes in Kontakt kommt. Und eigentlich kehrt er auch immer wieder hierher zurück. Hier werden Kontakte und Freundschaften geknüpft, gefachsimpelt und kulinarische Highlights genossen. So ein Coffee-Ride ist meistens bis zu 80 Kilometer lang und wird sehr entspannt gefahren. Um für unseren Paris-Ride also zumindest etwas Gewohnheit mit einfließen zu lassen, unterteilten wir diesen in gut sechs „Coffee-Ride“-Abschnitte. Wir radelten also von Essen los und kamen nach lockerem Aufgalopp circa zweieinhalb Stunden später in Niederkrüchten an. Der erste „Boxenstopp“ war stimmungsmäßig ausgelassen. Es gab Nudeln, Kuchen und andere Snacks. Der ein oder andere hatte zuvor vielleicht schon einen Riegel oder ein Gel zu sich genommen. Es konnte so langsam richtig losgehen…


Noch immer waren es bekannte Straßenabschnitte, die sich der CCC-Zug entlangschlängelte. Ein wunderschöner Frühlingstag neigte sich dem Ende. Die Welt um uns herum wurde orange und wir wurden mit den letzten warmen Sonnenstrahlen verwöhnt. Bis es langer Kleidung bedurfte war noch etwas Zeit. Wir erreichten pünktlich vor Sonnenuntergang die Niederlande, passierten die malerische Altstadt von Roermond und waren auch bald ein zweites Mal an einer Staatsgrenze. Dieses Mal war es die belgische und nach einer Weile erreichten wir Sint-Truiden. Inzwischen war es recht dunkel geworden. Wir bestückten die Räder mit Leuchtmitteln, versorgten uns, wechselten auf lange Ärmel und bereiteten uns auch mental auf die Nacht vor.


Was ändert sich eigentlich, wenn man in absoluter Dunkelheit Rad fährt? Schließlich ist die Sportart noch immer dieselbe. Dennoch muss man attestieren – es ist eine ganze Menge. Je nach Streckenabschnitt sieht man nämlich im Wald ohne die eigene Beleuchtung rein gar nichts. In städtischeren Gefilden gibt es immerhin Straßenlaternen, die mitunter in Belgien sogar recht smart sind und nur dann Licht spenden, wenn man sich nähert. Bei der Fahrt als Gruppe wird es nun in jedem Fall aber quasi „überlebenswichtig“, die Kommandos bei Hindernissen und Richtungswechseln konsequent auch zu sprechen. Und da die schöne Landschaft zwar vielleicht noch da ist, man sie aber nicht mehr wahrnimmt, erfreut man sich tatsächlich am nächsten Ruf des Vordermanns, der im Laufe der Zeit zusehends an Kreativität gewinnt. Bekommt man zu Beginn die üblichen Dinge wie „Pöller“ oder „Ast“ zugerufen, um über herannahende Hindernisse informiert zu werden, wird im weiteren Verlauf auch die Anwesenheit des entsprechenden Tieres mit einem lauten „Iiiiigel“ beschrieben. Dazu gesellen sich Begriffe wie „Baum“ und „Schranke“ und auch der am Straßenrand fleißig fotografierende Fahrer eines Versorgungsfahrzeugs wird stets mit einem freundlichen „Volker“ gegrüßt. Das geht nun stundenlang so, bis es dann doch plötzlich so weit war. Die erste Panne der Tour. Mitten im Nirgendwo hatten wir einen Reifen zu flicken. Für weiterhin ausgelassene Stimmung sorgte Helene Fischers „Atemlos durch die Nacht“, das aus einer Trikotasche schallte. Natürlich. Was auch sonst…?


Die Welt um uns herum war inzwischen sehr still geworden. Nach weiteren Schlagerhits war auch die Musikbox verstummt. Das Einzige, was uns in dieser Nacht stets begleitete, war das gelegentliche Surren eines Freilaufs am Rad. Wo zu Beginn der Tour noch viele Gespräche geführt wurden, war man nunmehr deutlich in sich gekehrter. Etwas mehr als 220 Kilometer lagen hinter uns. Es war gegen kurz nach zwei Uhr nachts als wir irgendwo im Nirgendwo unseren nächsten Stopp machten. Sicherlich könnte man anhand der Aufzeichnungen nachvollziehen, wo genau das gewesen ist. Es würde aber nicht so gut beschreiben, wie egal uns das mitten in der Nacht war. Abermals ging es ans Auffüllen des Proviants. Zum ersten Mal kam der Gedanke auf, dass Müsliriegel, Schokowaffeln oder der Rest Nudelsalat nicht mehr so richtig gut schmecken. Wohl dem, der noch ein Glas Bockwürstchen dabei hat…


Noch knapp drei Stunden bis zum Sonnenaufgang. Wir durchqueren noch einige belgische Ortschaften. Mal sind sie ganz ansehnlich, mal sind wir froh, wieder raus zu sein. Die Beine laufen noch. Wir haben gut die Hälfte. Etwas Salz als Zusatz zum Isodrink war dennoch eine gute Idee. Dort wo der Radfahrer regelmäßig seine „langen Ausfahrten“ beendet, nämlich irgendwo bei Kilometer 250, da beginnt jetzt eine sehr interessante Phase. Der Kopf ist weitestgehend aus, der restliche Körper ist konditioniert aufs Pedalieren. Das Gefühl für Raum und Zeit ist verloren, sodass keiner von uns noch sagen kann, wie die letzten Stunden der Nacht verliefen. Erinnerung an irgendeinen Ortsnamen -Fehlanzeige. Herausgerissen aus diesem Trott werden wir erst durch die ersten Sonnenstrahlen des Tages. Zunächst spenden sie nur etwas Licht, später auch Wärme. Wir erreichen die Staatsgrenze zu Frankreich. Endlich sind wir zumindest im Land des Eiffelturms…


Wir können sie zum Glück wieder sehen, die Landschaft um uns herum. Und sie ist wunderschön. Endlose Landstraßen und idyllische Dörfer reihen sich aneinander. Zwar stecken bereits gut 300 km in unseren Beinen, genießen können wir es gerade dennoch ein wenig. Und dann ist auch wieder Pause. Ziemlich genau bei 320. Die Ernüchterung folgt jedoch auf dem Fuße. Einmal auf den Asphalt des Parkplatzes hingesetzt, wo unserer Begleiter auf uns warteten, keimte schnell die Vorahnung auf, auf das was uns an diesem Tage noch bevorstand. Sie vermischte sich mit der Freude über die frischen Croissants und heißem Kaffee, den wir gereicht bekamen. Fakt war jedoch, dass es noch knapp 200k zu absolvieren galt. Genau genommen waren es noch einige mehr. Aber das wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht…


Die wohlige Wärme des frühen Morgens schlug alsbald um. Aus 20 Grad wurden sehr schnell 25 und mehr. Im Normalfall Bilderbuchwetter für Radsportler. Nachdem sich der Körper über 17 Stunden im Sattel aber bereits mindestens dreimal akklimatisieren musste, kann auch dieses sonnige Wetter zur zusätzlichen Belastung werden. Allen war klar, dass unsere Herausforderung nun wirklich auch eine geworden war. Ab jetzt wurde Radfahren „gearbeitet“. Natürlich wurden die Beine schwerer und natürlich zwickte es hier und dort ein bisschen. Aber viel schlimmer noch als das, war der Gedanke an unsere Ankunft. Klingt eigentlich gar nicht schlimm? Nun ja, es kommt auf die Perspektive an.


Eine Radtour verläuft in der Regel ja so: Man fährt voller Euphorie los, genießt die ersten Kilometer, macht zwischendurch Pausen, isst, trinkt und ehe man sich versieht, sind es noch maximal ein paar zig Kilometer, die man runterzählen kann, auch wenn die Beine und der Kopf bereits etwas schlapp sind. Hier jedoch, war die Sache ein wenig anders geartet. Kilometerzählen ist nämlich überhaupt keine gute Idee, wenn es noch recht viele sind. Und über 160 sind definitiv zu viele. Sich jetzt bereits gedanklich mit einer Ankunft auseinander zu setzen und alle paar Minuten einen Blick auf den Radcomputer zu werfen, kann ziemlich quälend sein. Aber hey, woran denkt man schon, wenn man nicht an rosa Elefanten denken möchte?! Richtig…


Es war für einige von uns eine magische Marke – die 400. Hier begann für alle nun „Neuland“ im Hinblick auf die Distanz. Wer sich jetzt noch etwas zu sagen hatte, der hatte großes Glück. So konnten immerhin einige kurzweilige Minuten vergehen. Meist blickte man jedoch in recht ausdruckslose Gesichter. Wer sich beobachtet fühlte, brachte allenfalls ein kurzes Mundwinkelzucken hervor. Das wars. Vielleicht auch eine gute Idee, die noch verbleibende Kraft zu sparen. Weitere zwei Stunden später war sie tatsächlich da. Unsere letzte Unterbrechung der Tour. Wir kehrten zur Rast auf einem Supermarktparkplatz ein. Wieder standen unsere beiden Fahrzeuge bereit. Jeder suchte umgehend einen im schatten liegenden Quadratmeter, denn es war heiß heute. Paradoxerweise hatte man dennoch kaum noch Lust, Flüssigkeit in irgendeiner Form zu sich zu nehmen. Bloß war dies alternativlos und wir taten, was getan werden musste. Wir waren dem Ziel doch schon so nahe. Dachten wir…


La grande finale...


Natürlich haben wir nicht nachgehalten, wie lange die Pausen im Einzelnen waren. Aber sicherlich würde niemand widersprechen, wenn behauptet wird, dass die letzte unsere längste Pause war. Der Aufbruch zum letzten Abschnitt unserer „Road to Paris“ fiel schwer, wenngleich doch feststand, dass wir den Großteil längst hinter uns hatten. Irgendwie waren wir zwar positiv gestimmt, es zu schaffen. Den Schmerz auszuhalten bis es soweit war, hatten wir dennoch. Kleine und kurze Anstiege fühlten sich an wie der Ventoux. Die Lust aufs Radfahren war längst verflogen und im Zentrum unseres Tuns stand nur noch der Kampf gegen sich selbst und für das gesetzte Ziel. Einige wollten nicht mehr sprechen, andere konnten es nicht. Aber wir näherten uns Paris.


Wir hatten in den vergangenen 24 Stunden eine ganze Menge gesehen, erlebt und gefühlt. Aber niemand hätte gedacht, dass ein weiteres Gefühl gegen Ende der Tour die absolut dominierende Rolle einnimmt. Und zwar Stress. Purer Stress! Wir alle kennen die schönen Bilder von Pariser Straßencafés, dem Eiffelturm und vielen weiteren Prachtbauten der Stadt. Aber über die Schattenseiten der Stadt spricht man eher seltener. Eine davon ist der Verkehr. Und je weiter wir uns dem Zentrum näherten, desto mühsamer wurde es. Es gibt da in Paris tatsächlich Wege für Radfahrer. Sehr gut ausgebaute Radwege. Bloß werden diese auch von Rollern, Motorrädern und Fußgängern mitgenutzt. Scheint hier normal zu sein. Und so ein Radweg kreuzt dann auch recht häufig eine größere Straße. Dort gibt es wiederum Ampeln. Für die interessiert sich aber niemand. So sind wir nach über 520 Kilometern im Pariser Stadtzentrum angekommen. Es ist heiß, es ist laut, es ist lebensgefährlich, hier mit einem Rennrad unterwegs zu sein. 14 Kilometer trennen uns von unserem Sehnsuchtsort. Hierfür benötigen wir fast 90 Minuten. Mal rollen wir im Schritttempo zum nächsten Hindernis, das wir umfahren müssen, mal schieben wir und mal treten wir noch einmal voll rein, damit wir nicht von hinten direkt wieder als Störfaktor im Verkehr wahrgenommen und angehupt werden. Wer hier ruhig bleiben kann, der hat im Leben nichts mehr zu befürchten.


Und dann steht er plötzlich vor uns. Oder sollten wir besser sagen, wir standen vor ihm – dem Eiffelturm. Um uns herum wuselten tausende andere umher. Und alle schossen Fotos oder bestaunten das Bauwerk. Aber für niemanden sonst hatte dieser Moment dieselbe Bedeutung wie für uns. Es hätte auch anstelle des Eiffelturms eine kleine unbedeutende Litfaßsäule sein können. Es war für uns einfach ein Symbol all unserer Anstrengungen, die wir in 26 Stunden auf über 534 Kilometer auf uns genommen hatten. Wir erinnerten uns an den Moment als wir tags zuvor in Essen aufbrachen. Und wieder war es da, dieses surreale Gefühl. Nun jedoch genau umgekehrt. Man war tatsächlich mit dem Fahrrad nach Paris gefahren…


Jeder Sportler erlebt sie in seiner Karriere diese ganz besonderen Momente, die ein Leben lang wie ein Film im Gedächtnis abgespeichert bleiben. Dieser war ganz sicher einer davon. Und jeder von uns wird seine ganz eigene Geschichte zu erzählen haben. Aber eines ist in jeder unserer Erzählungen gleich. Nämlich das Team! Für etwas ganz Außergewöhnliches danken einander daher: Sven L., Volker G., Erik L., Henry K., Martin S., Annalena H., Philipp N., Axel H., Mark W., Marvin L., Florian B. und Andreas F.


Und weil manches eben einmalig ist, schmieden wir bald wieder neue Pläne. Was in diesem Jahr die Road to Paris war wird vielleicht eines Tages „CtC“. In Paris sind wir angekommen. Die Reise unseres schönen Clubs geht aber weiter…

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