Mallorca 312: Zwischen traumhaften Landschaften, der Suche nach dem richtigen Hinterrad und der Herausforderung, Familienurlaub und Radmarathon zu verbinden.
- Flo Bode
- 3. Juni
- 9 Min. Lesezeit

Es gibt diese Art von Events, die man als passionierte(r) Radfahrer(in) einmal fahren möchte oder von denen man zumindest schon einmal gehört hat. Der Ötztaler Radmarathon zählt dazu, der Maratona dles Dolomites und – neben zahlreichen anderen – eben auch Mallorca 312. Für gewöhnlich lockt eines der größten Sportevents der Mittelmeerinsel ca. 8000 Menschen am letzten Aprilwochenende in ein Paradies für (Rad)sport- und NaturliebhaberInnen. Wer einmal bei unseren CCC-Holidays im Herbst dabei war, unsere This is Sick! Per Season Camps im Frühjahr besucht hat oder privat mit dem eigenen Velo auf der Insel war, weiß, wovon hier geredet wird. Traumhafte Anstiege und Abfahrten mit Meerblick, exponiert liegende Klöster sowie herrliche Straßen und Wege im Inland treffen auf nette Städtchen mit tollen (Rad-)cafés und ein Flair, dass man selbst erleben muss.

Was man davon während der Veranstaltung „Mallorca 312“ – deren 8000 Startplätze in diesem Jahr übrigens nach knapp 10 Minuten ausgebucht waren – genießen darf und wofür vielleicht auch keine Zeit bleibt, ist in den nächsten Zeilen zu lesen. Und für das ein oder andere Elternteil mit kleinen Kindern bleibt vielleicht noch ein kleiner Tipp hängen, wie man derartige Events auch ohne mehrwöchige (mentale) Vorbereitung absolvieren kann. Aber der Reihe nach.
Als Lehrperson an einem klassischen Gymnasium ist man in Deutschland an die Ferien gebunden. Die Osterferien reichen in NRW selten bis in die letzte Aprilwoche. 2025 war dies allerdings der Fall und so war die Spannung, als der Veranstalter seine Türen für die Anmeldung bereits 2024 öffnete, besonders groß, ob es einer der drei (mobilen) Endgeräte wohl schaffen würde, ein sehr undurchsichtiges Anmeldeprocedere zu überstehen, welches den erhofften Startplatz für 312 Kilometer und ca. 4500 Höhenmeter bescheren sollte. Nach unter 10 Minuten hatte man die Gewissheit, ob es geklappt hat oder nicht. Ausgebucht. Man heißt ja schließlich nicht Andi Neumann, der mit bereits sieben „Ötztaler“- und acht „Mallorca 312“ Teilnahmen scheinbar eine Internetleitung hat, die noch gar nicht auf dem Markt ist. Derartig häufige Teilnahmen sorgen dann auch – als kleine Anekdote am Rande – auf der Expo des Events, auf der übrigens alles an Marken da ist, was im Radsport Rang und Namen hat, für Aufsehen. In einem Small Talk zwischen dem Tour de France Sieger der Jahre 2007 und 2009, Alberto Contador und Andi N., musste die spanische Radlegende anerkennend feststellen, dass unser CCC Member mit dem goldenen S-Works mehr als doppelt so viele Mallorca 312 Teilnahmen aufzuweisen hat, wie er selbst. Ob der CCC nicht noch einige Tipps für die lange Distanz parat hätte?, scherzte einer der wenigen Fahrer, die Giro, Vuelta und die Tour für sich entscheiden konnten. Am Ende bewegte sich Contador selbstredend eher in den vorderen Positionen, die in diesem Jahr mit weiteren Radgrößen wie Indurain, Beloki und Valverde prominent besetzt waren. Die CCC-Tipps haben scheinbar geholfen.
In diesem Jahr hatte auch ich das Glück, einen Startplatz zu erhalten. Eine Warteliste von über 25.000 Menschen zeigt, wie groß der Andrang auf die Veranstaltung jährlich ist. Einige weitere CCC Member haben leider keinen Startplatz bekommen. Dennoch entschieden wir uns in diesem Jahr, mit drei Familien und insgesamt 5 Kindern nach Mallorca zu fliegen. Auch neben Mallorca 312 hat die Insel natürlich einiges zu bieten – und zwar für Radfahrer/innen, Nicht-Radfahrer/innen und Kinder gleichermaßen. Untergebracht waren wir in Port de Pollença in einer Unterkunft, die – vermutlich auch aufgrund ihres 50 Meter Beckens – bei Triathleten sehr beliebt scheint. Wenn man über zahlreiche Finisher-T-Shirts am Frühstückstisch und wilde Gespräche über Leistungsdaten und Strava-Einträge hinwegsehen und -hören kann, findet man hier den idealen Startpunkt – sowohl für die eigenen Biketouren, aber auch den Tag am Strand. Nur wenige Kilometer zum Col de Femenia und damit dem Einstieg ins Tramuntana Gebirge, schöne Routen, die direkt und etwas flacher ins Landesinnere führen und ein toller Strandabschnitt inklusive netter Promenade (ohne eine Flut an Gummitierchen) sind hier sofort erreichbar. So verbrachten wir die Woche vor dem Event mit vielem, was im Leben Spaß macht. Gutes Frühstück, tolle Radrunden in CCC Gemeinschaft, nette Cafés, Familienzeit am Meer und gutem Essen am Abend. So verging die Woche wie im Flug, die Beine fühlten sich von Tag zu Tag wohler auf dem Bike und spätestens am Freitag Nachmittag – als in einem wirklich hervorragenden Bike Storage inkl. Werkstatt und Shop zahlreiche Bikes mit Startnummern bestückt waren, fiel auch mir wieder ein, dass ich hier noch ein anderes Ziel hatte. Der morgige (Event-) Tag sollte bereits um 4:00 Uhr morgens starten und man musste ja auch irgendwie zur Startaufstellung zum gut 30 Autominuten entfernten Playa de Muro kommen. Gut, dass weitere radsportbegeisterte CCC-Member dabei waren und so war es für Ride Leader Roman eine Selbstverständlichkeit, mich um 4:30 Uhr vom Frühstückstisch abzuholen, damit ich pünktlich um 5:30 Uhr in den gelben Block – das ist der ganz hinten, in dem auch gefühlt oder vermutlich war es so, 6000 andere standen - rollen konnte. Und nun galt es, knapp 1,5 Stunden bis zum Start des Events um 7:00 Uhr zu warten. Lange 90 Minuten, wenn man niemanden um sich herum kennt. Nach Smalltalk in gebrochenem Englisch war mir um diese Zeit noch nicht. Smalltalk auf Spanisch beherrsche ich nicht. Richtig „nett“ wurde es dann, als es nach einer guten halben Stunde auch noch anfing zu regnen. Die einzigen Regentropfen in 10 Tagen Mallorca. Timing. Mit der Windweste als einzigen Schutz und tausenden Menschen um einen herum, kann man besser in einen Tag eigentlich nicht starten, an dem gut 11 Stunden reine Bewegungszeit auf dem Programm standen. Doch dann tat sich etwas. Das Event war gestartet und schon bald geschah das, was man von allen Radmarathons kennt, die flach oder sogar mit Gefälle starten. Es wird recht flott und man tut gut daran, sich in einer Gruppe zu verstecken. Das geht bei Mallorca 312 bis zum ersten Anstieg, dem Col de Femenia, hervorragend. Meerblick über die Buchten von Alcudia und Pollença inklusive.

Spätestens aber am ersten Anstieg (7,7 km, 405 hm, 5,3%) werden die Karten auf den Tisch gelegt. Auf der rechten Spur steht das Feld zu Beginn fast still. Die linke Spur der in Gänze gesperrten Strecke wird von jenen belagert, denen ein lockerer Aufgalopp zwischen 3,5 und 4,5W/kg nichts ausmacht. Ich habe mich (nicht politisch) „Mitte links“ eingeordnet, bis mich Catherine Rossmann überholte, Siegerin des Ötztaler Radmarathons 2022 und bei Instagram bekannt unter @cathi_rosi. Und da die Beine wirklich gut waren, dachte ich mir, schau doch mal, mit wieviel Power die Frau in so einen Radmarathon einsteigt (die übrigens am Ende mit Streckenrekord bei den Damen finishte, allerdings aufgrund einer fehlerhaft angebrachten Startnummer disqualifiziert wurde. Wollte man keine deutsche Siegerin? Fraglich.) Meine Wattpedale hatte ich im heimischen Deutschland vergessen. Dafür war allerlei Sandspielzeug, besagte Gummitierchen und alles weitere für die Kids im Koffer. Als Papa muss man eben Prioritäten setzen. Eine wichtige Anzeige zeigte mir mein Radcomputer allerdings an. 1350 Höhenmeter die Stunde am allerersten Anstieg von an diesem Tag 38 größeren und kleineren Hügeln. Fünf Minuten habe ich mir den Spaß hinter Cathi und ihrem „Content Creator“ gegönnt, ehe ich mich an die Worte meiner CCC KollegInnen aus dem letzten Jahr erinnerte: Die 160 Kilometer durchs Tramuntana Gebirge sind traumhaft schön. Die folgenden 150 durchs Inland ziehen sich wie Kaugummi und tun mitunter richtig weh. Also wieder „Mitte links“ und auf das ein oder andere „Achtung links“ überholender RadsportlerInnen hören.
An der bekanntesten „Tanke“ auf Mallorca am Col de Sa Bataia (Batalla?) geht es rechts ab in Richtung Soller, Deià und Banyalbufar. Man kann nicht viel besser und schöner Rennradfahren als auf dieser an diesem Tag selbstverständlich auch gesperrten Ma-10.
Ab Esporles bei Kilometer 160 galt dann das, was ich mir als einziges in der Vorbereitung zurechtgelegt hatte. Finde die richtigen Hinterräder, häng dich rein und mach dich klein. Und es ging hervorragend los. Eine Gruppe von fast 40 FahrerInnen hatte das Gleiche im Sinn, wie vermutlich alle ab diesem Streckenteil. Meter machen. Mit guten 40km/h ging es in Richtung Santa Maria de Cami und weiter nach Alaró – dem Heimathafen unserer This is Sick! – Camps im März. Irgendwann musste ich an einer Verpflegungsstation auftanken und die Gruppe ziehen lassen. Schade eigentlich und auch einer Engländerin, die ebenfalls kein Wasser mehr hatte, war klar: That was great fun! Schnell formierte sich eine neue Gruppe, die mit guten 35km/h zwar nicht mehr ganz so schnell war, dafür musste man sich aber auch nicht mehr so arg konzentrieren, konnte ein wenig Landschaft aufsaugen und rollte so dahin. Bis sich auf einmal im hohen Bogen meine Satteltasche verabschiedete, deren Inhalt (Romans elektrische Minipumpe, ein Schlauch sowie das einzige Multitool, dass einen Reifenwechsel möglich machen würde) mich zum Anhalten zwang. Und dann war ich alleine. Einzelnen StarterInnen ging es ähnlich und ich entschied mich dafür, jetzt nicht gegen den Wind anzutreten, sondern mit knapp 20km/h weiterzurollen und immer in den „Rückspiegel“ zu schauen. Knapp 5 Minuten später sollten es für ich mich die Hinterräder eines spanischen Pärchens sein, die es fahrerisch ernst zu meinen schienen. Zu dritt ging es dann nochmal besser und so eine Zusammenarbeit kann wirklich Spaß machen – bis zu dem Punkt als sich die 220 Kilometer Strecke und die 312er trennen sollten. Eigentlich war mir klar, dass die Beiden nicht rechts auf die ganz lange Distanz (man kann auch 167 Kilometer fahren) abbiegen würden. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Aber sie starb schnell. Das spanisch Duo fährt unbeirrt geradeaus, es reicht noch für ein kurzes „Gracias“ und ich biege ab in jene Wirtschaftswege, die auf einer lockeren Tagesausfahrt wunderschön sind, die man aber irgendwann nicht mehr sehen kann. Eine 90 Grad Kurve weiter erspähte ich eine weitere 10er Gruppe, die sich zügig, aber noch human fortzubewegen schien. Nochmal gute 4W/kg einloggen und die Aero Position einnehmen oder wieder warten? Da Warten generell nicht meine Stärke ist, befinde ich mich zwei Schaltvorgänge später auf Aufholjagd und gut weitere 5 Minuten später endlich wieder an den rettenden Hinterrädern, die mich dann eine gute Stunde mit zur nächsten Verpflegungsstation zogen. Hätte ich mich nicht erst nach dem „ins Bett bringen der Kinder am Vorabend“ erstmalig so richtig mit dem Event beschäftigt, wäre mir vermutlich nicht entgangen, was an der allerletzten Verpflegungsstation in Artà auf mich warten würde. Und da ich noch keine 7 Teilnahmen wie unser lieber Andi N. vorweisen konnte, war es eine echte Überraschung. Partystimmung pur! Menschenmassen. Zuschauer. SportlerInnen. Musik. Warme Nudeln. Buffets an Speisen und Getränken aller Art. Nur keine Gummitierchen. Hier schien der Radmarathon inoffiziell zu Ende zu sein. Offiziell sind es aber noch gut 25 Kilometer, die tendenziell bergab führen. Für einige sicher nur noch „Kalter Kaffee“, spürte ich die ausgiebige Pause in Artà nun doppelt. Der so geliebte „Druck auf dem Pedal“ muss irgendwo zwischen Sa Pobla, Ariany, Petra und Artà und den nicht aufhörenden, giftigen Gegenanstiegen, die ich übrigens in netter Begleitung vierer völlig zutätowierter Irländern verbrachte, die definitiv nicht das erste Mal auf dem Bike saßen und sich ihre Zeit auf den letzten Kilometern scheinbar damit spannender gestalteten, die Gruppe Rampe für Rampe weiter zu dezimieren.

Doch irgendwann gegen 19:00 Uhr war es dann geschafft. Der Anblick des gelben Zielbogens in Playa de Muro übertraf jedes „große gelbe M“ nach einer durchzechten Partynacht um Längen. Natürlich wäre es romantisch gewesen, jetzt Familie und Kinder in den Arm zu nehmen und gemeinsam zur Pasta-Party zu schreiten. Wer den Alltag mit Kindern kennt, weiß aber sicher, dass sowas nicht „mal eben“ zu organisieren ist. Müdigkeit nach einem langen Tag bei allen Beteiligten und noch nicht das größte Verständnis dafür, was der Papa da den ganzen Tag so macht, bescherten mir im Zieldorf ein Pastadate mit mir selbst – allerdings umgeben von hunderten sehr erschöpften TeilnehmerInnen mit teilweise Tränen in den Augen. Wie gut, dass CCC Member Hendrik sein Essensdate mit der Familie aufgegeben hat, um mich abzuholen (irgendwie musste das Bike ja auch noch transportiert werden). Nochmal besten Dank dafür.
Am Ende bleiben einige Erkenntnisse. Mallorca 312 ist (als Alleinstarter) auf der langen Distanz eine echte Challenge und (für mich persönlich) härter als ein Ötztaler (bei gutem Wetter), den man sich mit 4 Bergen, 4 Abfahrten und ein paar Zwischenstücken viel besser einteilen kann. Das Event selbst war gut organisiert und bietet, wenn man im Vorfeld die Zeit dazu hat, viele Möglichkeiten, tief in die Materie einzutauchen und gleichzeitig noch einen Urlaub zu integrieren. Landschaftlich kann man nicht viel besser Radfahren als auf den ersten 160 Kilometern. Es ist daher eine echte Option, auch die kürzeren Distanzen in Angriff zu nehmen, wenn man damit Leben kann, dass man die Party in Artà verpasst und das Event ja nicht umsonst so heißt wie es heißt.
Geht man den Trip mit Familie und Kindern an, muss man einfach anders priorisieren. In den Tagen zuvor Kraft aus der gemeinsamen Familienzeit tanken und am Tag des Events einfach glücklich sein, dass man sich 11 Stunden lang um nichts anderes kümmern und an nichts anderes denken muss, als an das, was auf Mallorca einzigartig ist – das Radfahren. Für einige ist dies vielleicht der Standard. Für mich persönlich ist es immer wieder besonders und sorgt dafür, dass in solchen Momenten – auch ohne strukturiertes Training und klaren „Matchplan“ – die erforderlichen Wattwerte fast von allein kommen.

In diesem Sinne ein großes Dankeschön an alle, die dazu beigetragen haben, dass dieser Tag für mich genau so möglich wurde.
Watts & Coffee
Flo
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